Einweihung Werkstätte für behinderte Menschen Müllheim – 12.05.2012
 
Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter, sehr verehrte Damen und Herren,
 
es ist heute für alle Anwesenden, in erster Linie aber für Sie, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätte, ein großer Tag, wenn wir gemeinsam die Einweihung Ihrer zukünftigen Arbeitsstätte feiern dürfen.
Ihr Werkstattleiter Herr Kopf hat für Ihren neuen Wirkungsbereich den schönen und treffenden Begriff „Arbeitsheimat“ geprägt, und das war für uns Architekten Aufgabe, Herausforderung und Freude bei der Planung: Einen Ort zu schaffen, wo Sie sich zu Hause fühlen, wo Sie Sicherheit, Verlässlichkeit, Zugehörigkeit erfahren können. Ein Ort, an dem „Arbeit“ nicht definiert ist als etwas, das abseits vom Leben passiert, was die derzeit so häufig zu vernehmende Forderung nach der „Work-Life-Balance“ beinhaltet, sondern ein Ort, an dem Arbeit wichtiger und erfüllender Teil des Lebens ist.
„Es geht um die Freude, auf dieser Erde zu leben“ – so postuliert der französische Architekt Jean Nouvel seinen Anspruch auf eine Architektur des Ortes, eine Architektur im Kontext von Landschaft, Farben, Licht. In lichtdurchfluteten Räumen und fließenden Raumabfolgen erleben wir hier die Einbindung in den Grün- und Außenraum; unterschiedliche Farbgebung und Proportionalität geben den einzelnen Räumen eine unverwechselbare Identität, die reine Holzkonstruktion vermittelt warme Geborgenheit.
Beim Ankommen am Morgen erwartet Sie Ihre neue Arbeitsheimat mit ihren besonderen, einmaligen Merkmalen, die hoffentlich schon bald ein Gefühl der Vertrautheit hervorrufen:
die Fassade, eingehüllt in Stützenreihen, deren unterschiedliche Spannweite kontrastreiches Schattenspiel bewirkt,
• die dahinterliegenden konisch verlaufenden Fassadenstrukturen mit ihren spannungsvollen Zwischenräumen, die sich je nach der Perspektive des Betrachters öffnen und weiten,
• die vielschichtige Baukörperstruktur mit ansteigendem First und bewegten Traufen,
• das begrünte Dach und der trichterförmig ausgebildete Eingang, der Sie mit einer Geste des Empfangs willkommen heißt.
Ein Gefühl des Willkommens, das auch für Sie, die Angestellten der Christophorus Gemeinschaft, gelten soll bei Ihrer großen, verantwortungsvollen Arbeit mit den hier tätigen behinderten Menschen. Ein Ort, der Ihnen die Wertschätzung für Ihre tägliche Aufgabe zeigen und Sie in Ihrer Arbeit unterstützen soll.
Wenn es gelingt, mit der neuen Werkstätte und ihrer Architektur emotionale Ortsbindung im Sinne einer Arbeitsheimat herzustellen, ist dies auf die gute,
Einweihung Werkstätte für behinderte Menschen Müllheim – 12.05.2012
fruchtbare gemeinsame Arbeit vieler Beteiligter zurückzuführen. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei Herrn Walter, Herrn Kopf und Herrn Decker für die vielen intensiven und konstruktiven Planungsgespräche bedanken.
Nicht zuletzt durch Ihre zielführende Moderation, Herr Walter, und die von Ihnen an entscheidender Stelle punktgenau angesetzten Sinnpausen für geistige und körperliche Erfrischung konnte die Planung für alle Beteiligten immer erfolgreich weiterentwickelt werden.
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an alle beteiligten Handwerker, die mit großer Fachkenntnis und Liebe zur Ausgestaltung die Planung dieses besonderen Orts realisiert haben.
„Es geht um die Freude, auf dieser Erde zu leben“ – mit diesem eingangs erwähnten Zitat möchte ich mich abschließend nochmals an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätte wenden. Ich bin zuversichtlich, dass es Ihnen schon bald gelingen wird, dieses Haus freudig in Besitz zu nehmen und ihm damit das zu geben, was Architektur bei allem Bemühen nicht leisten kann: es mit Leben zu füllen.
Als Erinnerung an Ihre alte Heimat in der Lindenstraße haben die beteiligten Planungsbüros pro4Ingenieure, das Statikbüro Schmeiser, das Haustechnikbüro Eichhorn, das Freiraumplanungsbüro Lutz und die Architekten der Werkgruppe Lahr vor dem Eingangsplatz die beiden Linden pflanzen lassen, die wir Ihnen zur heutigen Einweihung schenken möchten.
Wir wünschen Ihnen ein glückliches und erfüllendes Wirken in Ihrer neuen Werkstätte.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jürgen Dittus, Werkgruppe Lahr
 
 
 
 
Sehr geehrter Herr Walter,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Siemes-Knoblich

Herzlichen Glückwunsch zu der Einweihung Ihres neuen Werkzentrums. Ich bin sehr gern gekommen, um mit Ihnen diese Erweiterung zu feiern.
Jeder Mensch ist ganz besonders, und alle Menschen, egal mit welchen handicaps machen eine gemeinsame Gesellschaft aus.
Menschen mit Behinderungen sind demnach nicht behindert, sondern sie werden behindert. Unser Ziel muss sein, dass alle Menschen das Recht umsetzen können, sich in dieser Welt ungehindert bewegen zu können.
Das will die UN Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Es ist in der Tat ein Paradigmenwechsel. Denn es geht jetzt nicht mehr darum, dass Menschen mit Behinderungen unterstützt werden, damit sie am sogenannten „normalen" Leben teilnehmen können. Es geht jetzt darum, vorhandene Barrieren weg zu räumen, damit alle Menschen teilhaben können.
Das heißt,  jeder und jede hat das Recht, seinen Wohnort selber zu bestimmen und auch den Rahmen, in dem sie oder er leben will.
Das ist das Ziel, immer dann, wenn dieses Recht nicht uneingeschränkt ausgeübt werden kann, braucht es Unterstützungsstrukturen.
Das betrifft auch die Gestaltung des Arbeitslebens. Es ist ein zentraler Bereich, in dem Teilhabe ermöglicht werden muss.
Alle Bundesländer haben die UN-Konvention ratifiziert. Damit gilt sie bereits jetzt.
Leider, das muss ich sagen. hinken die gesetzlichen Reformen, die entsprechende Anpassungen, der Umsetzung der UN Konvention weit hinter her.
Es gibt zwar das Persönliche Budget, das ich ausdrücklich als einen Schritt zu mehr Eigenständigkeit im Leben begrüße.
Allerdings hapert es an der Umsetzung. Soweit ich weiß, sind es im Landkreis nicht mal eine Hand voll Menschen, die das persönliche Budget in Anspruch nehmen.
Ein weiteres großes Hindernis ist die bisher schlecht geregelte Teilhabe am 1. Arbeitsmarkt.
Bisher hat ein Erwachsener, der in einer WfB arbeitet, ein Arbeitsleben mit geringem Lohn, aber eine anschließende lebenslange existenzsichernde Rente. Entscheidet er oder sie sich, dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, gilt das Rentenrecht des ersten Arbeitsmarktes.

Da kann mensch natürlich sagen, das ist auch gut so, wir wollen keine Sonderregelungen, aber genau das ist in meinen Augen der falsche Ansatz. Stattdessen ist es unsere Aufgabe, die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen und die handicaps, die z.B. eine reduzierte Arbeitszeit und Dauer bedeuten, miteinzubeziehen. Gleichzeitig muss es für alle Menschen eine existenzsichernde Rente geben.
Wir müssen ein großes Rad vor allem in der Reform des SGB XI drehen. Und wir wollen als Landesregierung auch in Baden-Württemberg Zeichen setzen:
Wir wollen das Behindertengleichstellungsgesetz auf die Ziele der UN Konvention abstimmen und entsprechend gründlich renovieren. Wir haben erstmals mit Gerd Weimar einen unabhängigen Behindertenbeauftragten, der ein offenes Ohr für die Belange Einzelner in diesem Land hat und sich sehr engagiert und fachkundig einsetzt. Wir wollen im Landesbauprogramm barrierefreies Wohnen besonders unterstützen und wir unterstützen Arbeitsmodelle, die Menschen mit Behinderungen den Weg erleichtern, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Sie haben mit dem Konzept der Erprobungspraktika und Erprobungsmaßnahmen einen neuen Weg mit dem Zweigwerk eingeschlagen, der die Hemmschwelle, etwas Neues zu wagen, für den Einzelnen, etwas absenkt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieses Angebot gut angenommen wird.

Inklusion bedeutet „Mittendrin". Der Weg dorthin ist ein langer und für Viele auch ein schwerer. Das bedeutet, wir müssen als Gemeinschaftsaufgabe die Barrieren zur Umsetzung der Inklusion aus dem Weg räumen. Ich bin überzeugt, dass das „Zweigwerk" mit seinem Konzept einige Barrieren beseitigt.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Gelingen, und viel Glück bei der Umsetzung Ihrer Ziele und den Menschen, die hier arbeiten, dass sie sich gestärkt auf den Weg in den ersten Arbeitsmarkt machen.


Bärbl Mielich,
Vorsitzende des Sozialausschusses des Landtags von Baden-Württemberg
Gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Grüne
 
 
Sehr geehrte Damen und Herren,

solche Häuser braucht das Land

Solche Häuser wo Menschen dort ankommen können, wo sie hingehören  - in der vielzitierten Mitte der Gesellschaft. Oder lassen Sie es mich anders nennen: Mitten im Leben.
Menschen, die wir vor noch nicht allzu langer Zeit an den Rand der Gesellschaft gedrängt haben oder sogar darüber hinaus...

Solche Häuser braucht das Land, in denen Menschen, die schon immer zur sog. Mitte der Gesellschaft gehörten, sich engagieren für die, die erst ankommen und ihren Platz finden müssen. Die dieses Engagement zum Beruf, manchmal schon zur Berufung, gemacht haben.
Solche Häuser, an denen nicht darüber diskutiert wird, ob das nun Inklusion oder Integration ist, sondern an denen man einfach macht und Angebote und Chancen eröffnet, die jeden Menschen in seinen individuellen Fähigkeiten fördern und fordern. Hier wurden nicht nur 60 Arbeitsplätze geschaffen, hier wurden 60 Lebensplätze geschaffen.
Und wenn ein solches Haus dann auch noch ein solches optisches Highlight darstellt und beweist, dass auch Funktionsbauten in anderem als nur funktionellem Gewand daher kommen können, ohne finanzielle Grenzen zu sprengen, dann kann ich im Namen der Stadt nur sagen: Wir freuen uns darüber, ein solches Haus und Sie alle hier zu haben.
Und es macht Lust auf mehr. Ein Mehr, das ja schon geplant ist und wir freuen uns als Stadt, besonders in Niederweiler auch diesen Weg mit Ihnen gemeinsam in Angriff nehmen zu können.
Bleibt mir nur, alle Menschen, die in diesem Haus arbeiten werden, allzeit Glück, Erfolg, Zufriedenheit und gutes Gelingen zu wünschen. Auf eine gute Zeit!
 
 
Astrid Siemes-Knoblich
Bürgermeisterin der Stadt Müllheim